Sowohl in der Lehre als auch in der Forschung lassen sich noch erhebliche Defizite in
der Implementierung von geschlechterspezifischer Medizin feststellen. Als Verfechter
der Freiheiten und Rechte des Individuums stehen wir Junge Liberale Bayern für eine
Medizin, die bestmöglich auf die Bedürfnisse und Eigenheiten eines jeden Einzelnen
ausgelegt ist, nicht einfach nur den Durchschnittsbürger einer Gesellschaft im Blick
hat und rechts und links von diesem ungeeignet und blind ist. Für uns sind in diesem
Zusammenhang vor allem die Implementierung von Gendermedizin sowie eine Reformierung
des Embryonenschutzgesetztes Maßnahmen, welche zu eben diesem Ziel führen.
A Langfristige Vision einer zukunftsorientierten Individualmedizin
Wir Junge Liberale Bayern fordern langfristig eine stetige Weiterentwicklung im
Gesundheitswesen hin zu einer sogenannten Individualmedizin. Die aktuellen
Vorschriften in Bezug auf Anamnese und Datenerhebung über Patienten reicht unserer
Meinung nach nicht aus und ist an vielen Stellen beinahe fahrlässig. In Zukunft soll
es – wenn vom Individuum erwünscht – möglich sein, die Behandlung und Therapie
perfekt auf die Bedürfnisse und Eigenheiten, auf die genaue biologische
Zusammensetzung des jeweiligen Körpers auszurichten. Dies kann mit Hilfe von
Gensequenzierungen und auf die Biologie des Patienten angepasste Medikamente in eben
genau den richtigen Dosierungen erfolgen. Der medizintechnische Fortschritt in diesem
Bereich ist nicht aufzuhalten und schreitet in anderen Ländern bereits stetig voran.
Wir fordern eine ebenso zukunftsorientierte Individualmedizin in Deutschland.
B Gendermedizin in der Forschung
Bis dahin gibt es jedoch schon einige Merkmale, auf die sich eine teilweise
individualisierte Medizin stützen kann, unter anderem das Geschlecht.
Um das Geschlecht der Patientinnen und Patienten adäquat zu berücksichtigen, fordern
wir mehr Forschung über geschlechtsspezifische Unterschiede sowohl in der Diagnostik
als auch der Behandlung von Erkrankungen.
Einige Medikamente werden von Männern und Frauen unterschiedlich gut vertragen oder
es kommt bei Frauen vermehrt zu Nebenwirkungen, die aus einer Überdosierung der
Medikamente rühren. Für bereits zugelassene Medikamente müssen daher die Leitlinien,
die von Arbeitsgemeinschaften der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften
verfasst werden, zukünftig neben Faktoren wie Gewicht und Lebensstil auch das
Geschlecht berücksichtigen. Bei neuen Medikamenten fordern wir Zulassungsstudien, die
(sofern das Medikament für beide zugelassen werden soll) Männer und Frauen
gleichermaßen berücksichtigen und die aufgetretenen Nebenwirkungen nach Geschlechtern
getrennt aufschlüsseln.
Wir Jungen Liberalen befürworten grundsätzlich die Digitalisierung im
Gesundheitswesen. Hierbei muss jedoch immer ein potentieller Data-Bias berücksichtigt
werden. Beim Einsatz von Machine Learning Systemen kann dies zum Beispiel geschehen,
wenn ein Datensatz zugrunde liegt, in dem ein Geschlecht deutlich häufiger vertreten
ist, das Geschlecht jedoch nicht angegeben oder nicht als Faktor berücksichtigt wird.
C Gendermedizin in der Lehre
Die medizinische Lehre umfasst mehrerlei Studiengänge sowie Ausbildungsberufe.
Insgesamt kann gesagt werden, dass es aktuell kein Lehrformat der Medizin gibt, in
welchem die Gendermedizin eine adäquate Rolle spielt.
Studium der Humanmedizin
Auf dem Weg zum Ärzteberuf erscheint eine fundierte Kenntnis über
geschlechterspezifische Unterschiede des Menschen selbstverständlich. Jedoch ist die
Vermittlung von Inhalten der Gendermedizin bisher kaum in deutsche Studiengänge der
Humanmedizin integriert. Deshalb fordern wir eine intensive Beschäftigung mit dem
Thema im Rahmen der Studiengangreform 2025. Die bereits gegründeten Kommissionen
werden dazu aufgerufen, die bestehenden Inhalte des Studiengangs auf Möglichkeiten
und Notwendigkeiten geschlechterspezifischer Lehre zu integrieren, zu durchsuchen und
eine Neugestaltung eben jener Inhalte vorzunehmen. Auch möchten wir die
Universitäten, welche ein Medizinstudium anbieten, dazu anregen, entsprechende
Wahlfächer im Bereich der Gendermedizin anzubieten. Dort, wo besonderes Interesse
seitens der Lehrenden für geschlechterspezifische Medizin herrscht, ist auch die
Einrichtung eigener Lehrstühle beziehungsweise Prodekanate denkbar.
Studium der Psychologie, Pharmazie und Medizintechnik
Im Bereich der weiteren oben genannten (zum Teil) medizinischen Studiengänge ist
ebenfalls eine vermehrte Integration geschlechterspezifischer Inhalte in das
Curriculum vorzunehmen. In der Klinischen Psychologie, aber auch in den je nach
Geschlecht unterschiedlichen Wirkungsweisen pharmazeutischer Arzneimittelstoffe
beziehungsweise medizintechnischer Geräte sind die jeweiligen Unterschiede von Mann
und Frau eindeutig noch nicht ausreichend für die Lernenden herausgearbeitet. Dies
soll mit entsprechenden Vorlesungsreihen und Seminaren ergänzt werden.
Ausbildungsberufe
Auch in den medizinischen Ausbildungsberufen ist eine adäquate Integration der
Gendermedizin-Inhalte aktuell nicht gegeben. Besonders im Bereich der
Physiotherapieausbildung sind klare Defizite erkennbar. Auch hier ist eine vermehrte
Einbettung entsprechender Module vorzunehmen.
D Embryonenschutzgesetz reformieren
Die Reproduktionsmedizin bewegt sich zwischen rasantem medizinisch-wissenschaftlichen
Fortschritt und jahrelangem gesetzgeberischen Stillstand. Das 30 Jahre alte
Embryonenschutzgesetz ist an die aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisse anzupassen. Auf diese Weise lassen sich seelische Belastungen von
Menschen mit Kinderwunsch vermeiden, gesundheitliche Risiken für werdende Mütter,
sowie das Ausweichverhalten durch Inanspruchnahme von Behandlungsverfahren im Ausland
minimieren und die Strafbarkeit der damit verbundenen, gebotenen Beratungen und
Vorbereitungsmaßnahmen deutscher Ärztinnen und Ärzte vermeiden.
Die Jungen Liberalen Bayern fordern deshalb eine punktuelle Aktualisierung des
Embryonenschutzgesetzes zur Gewährleistung der Rechtssicherheit im Rahmen des
aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Standes. Im Einzelnen
wird gefordert:
In Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 5 EschG und § 1 Abs. 1 Nr. 3 EschG – „Dreierregel“
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 EschG ist es verboten innerhalb eines Zyklus mehr als drei
Embryonen auf eine Frau zu übertragen. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 EschG ist es bisher
verboten mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus
übertragen werden sollen. Mit dieser Regelung soll die Entstehung überzähliger
Embryonen verhindert werden und der entwicklungsfähige Embryo geschützt werden. Nach
jetzigem medizinisch-wissenschaftlichen Stand ist die Entwicklungsfähigkeit eines
Embryos ein gradueller Prozess, welcher bei ex anter Betrachtung nicht sicher ist,
jedoch mit fortschreitender Entwicklung besser einschätzbar. Es bedarf einer
gesetzlichen Regelung, welche auf die graduelle Entwicklungspotenz Rücksicht nimmt,
um so die Gefahr von Mehrlingsschwangerschaften zu reduzieren.
Die Jungen Liberalen Bayern fordern eine Abkehr von einer pauschalisierten Höchstzahl
pränidativer Embryonen. Diese soll vielmehr individuell durch medizinische
Prognosekriterien für die Patientinnen im Einzelfall unter Zugrundelegung des „Single
Embryo Transfer“ (SET) bestimmt werden. Prognosekriterien sind dabei u.a. das Alter,
die Anamnese der Patientin, die Anzahl der entnommenen Eizellen und Methoden die der
graduellen Entwicklungspotenz des pränidativen Embryos Rechnung trägt unter
Berücksichtigung der Zielsetzung der Herbeiführung einer Schwangerschaft unter
Berücksichtigung der Gesundheit von Mutter und Kind.
Eizellspende
Nach bisheriger Rechtslage ist die Eizellspende in Deutschland verboten. Ziel ist es
die „gespaltene Mutterschaft“ zu verhindern. Die der Regelung zu Grunde liegende
gesetzgeberische Begründung der erschwerten Identitätsfindung der auf diesem Wege
gezeugten Kinder und der damit verbundenen negativen Auswirkung auf die seelische
Entwicklung ist wissenschaftlich widerlegt. Rechtlich ist die Mutterschaft gem. §1591
BGB eindeutig festgelegt, wonach die Mutter eines Kindes die Frau ist, welche es
geboren hat. Andererseits bestehen medizinische Indikationen, wie zum Beispiel ein
schlechtes Ansprechen im hormonellen Stimulationsverfahren, eine vorzeitige Menopause
oder genetische Prädispositionen, für die Eizellspende.
Die Jungen Liberalen Bayern fordern eine Legalisierung der Eizellspende in
Deutschland. Zum Zweck des Schutzes der Spenderin und der Möglichkeit einer
selbstbestimmten und informierten Entscheidung dieser, sind für die Straflosigkeit
hohe Anforderungen an die Aufklärungspflicht und der Beratung eines Arztes zu
stellen. Die Verhinderung einer Kommerzialisierung des Handels mit Eizellen wird
durch die Subsumtion unter die entsprechenden Rechtsvorschriften des
Transplantationsgesetzes und des Arzneimittelgesetzes erreicht. Gleichzeitig ist das
Recht auf Kenntnis der Abstammung des Kindes in Anlehnung des
Samenspenderregistergesetz gesetzlich zu verankern.
Embryonenspende
Auch im Rahmen des „Single Embryo Transfer“ (SET) lassen sich überzählige pränidative
Embryonen nicht verhindern. Diesbezüglich stellt sich die Frage der weiteren
Verwendung, Verwerfung oder nicht-kommerzielle Weitergabe an Dritte. Das
Embryonenschutzgesetz verbietet nicht ausdrücklich die Spende solcher pränidativer
Embryonen, welche ursprünglich zum Zwecke der Herbeiführung der Schwangerschaft der
Frau, von der die Eizelle stammt, künstlich bewirkt worden sind.
Die Jungen Liberalen Bayern fordern zum Zweck der Wahrung eines entwicklungsfähigen
Embryos die ausdrückliche Zulässigkeit der Embryonenspende im Fall der nicht
intendierten Entstehung überzähliger pränidativer Embryonen. Dabei soll auch dem
Selbstbestimmungsrecht des Paares, zu welchem ursprünglichen Zweck die Eizelle
künstlich befruchtet worden ist, Rechnung getragen werden. Hierzu ist eine umfassende
Aufklärungspflicht erforderlich, um eine Entscheidung bezüglich des weiteren
Verfahrens mit dem pränidativen Embryo, frei von Willensmängeln, zu gewährleisten.
Ferner fordern wir die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage in Anlehnung an das
Samenspenderregistergesetz, damit das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner
genetischen Abstammung gewahrt wird. Ferner ist das Transplantationsgesetz und
Arzneimittelgesetz, insoweit anzupassen, als das der menschliche Embryo unter die
Rechtsvorschriften des Handelsverbots gefasst werden können, um so eine
Kommerzialisierung der Embryonenspende zu verhindern.
Gültigkeit: 5 Jahre