Allgemeines
Wenn wir über weltbeste Bildung für Deutschland sprechen, sprechen wir über ein Reformvorhaben, welches das gesamte bildungspolitische Spektrum umfasst: Für uns Junge Liberale Bayern ist klar, dass die berufliche Bildung genauso wertvoll ist wie die universitäre. Wir wollen eine moderne, zukunftsfähige und attraktive Berufsausbildung in Deutschland, die jungen Menschen beste Voraussetzungen für ihren individuellen Berufsweg bietet.
Daher fordern wir:
- Eine bessere Berufsorientierung an weiterführenden Schulen. Die Berufsorientierung muss schulformübergreifend zum festen Bestandteil des Unterrichts werden und das gesamte Spektrum der akademischen und dualen Ausbildung abdecken. Zielführend sind dabei auch Kooperationen mit Berufsinfomationszentren, um im Rahmen von Talent-Tests, Umfragen und Gesprächen. Zur Gewinnung eines praktischen Einblicks in die Arbeits- und Berufswelt sollen in allen weiterführenden Schulen verpflichtende Schülerpraktika eingerichtet werden.
- Einen Ausbau des Modells der Teilzeitausbildung, denn Ausbildungswege müssen genauso flexibel und individuell sein, wie Lebensentwürfe. Dazu fordern wir ein Bezuschussungsprogramm für KMU aufzusetzen, die diese Ausbildungsmodalität anbieten.
- Dass zu Beginn der Ausbildung alle angehenden Auszubildenden, unabhängig von ihrer schulischen Vorbildung in Absprache mit dem Betrieb, eine Ausbildungsverkürzung von einem halben Jahr vereinbaren sollen können
- Anrechnungen zu erleichtern, indem bereits erworbene – praktische wie theoretische – Qualifikationen auf vergleichbare Berufsschulfächer bzw. Berufsschulpraktika anrechenbar sind.
- Auch soll es für Auszubildende unabhängig vom Schulabschluss die Möglichkeit einer kompletten Befreiung vom Besuch der Berufsschule geben, wozu ein entsprechender Test geschrieben werden muss. Dieser Test kann einmal vor Beginn der Ausbildung oder nach einem Jahr Berufsschule absolviert werden. Dies gilt auch für den Fall des Nichtbestehens
- Zur Hälfte der Ausbildungsdauer die Möglichkeit einer Ausbildungsverkürzung im Sinne einer vorzeitigen Zulassung zu den Abschlussprüfungen. Dabei sollen die zuständigen Stellen im Sinne des BBiG auf Grundlage der Zwischenprüfung und eines persönlichen Gespräches nach Anhörung von Ausbildungsbetrieb und Berufsschule über die Zulassung entscheiden
- Bildungs- und Weiterbildungsbarrieren abbauen und informell erworbenes Wissen verwert- und zertifizierbar zu machen. Trotz des beträchtlichen Fachkräftemangels verfügt jeder siebte junge Erwachsene nicht über einen Berufsabschluss. Das berufliche Bildungssystem in Deutschland ist für Menschen mit niedriger formaler Qualifikation nach wie vor jedoch kaum zugänglich. Ein qualifizierter Berufsschulabschluss soll auch über die Berufserfahrung zu erlangen sein, wobei, zur Sicherung der Qualität, dies an eine praktische Prüfung zu knüpfen ist. Prüfungskriterien sind durch die jeweilige Kammer der Berufsgruppe aufzustellen.
- Grundsätzliche Veränderungen im Bereich der Ausbildung, die dem technologischen Wandel hinreichend Rechnung tragen. Hierbei müssen bestimmte Kernkompetenzen im Rahmen berufsspezifischer Wissens- und Fertigkeitsvermittlung vermehrt gelehrt werden. Hierzu zählen konkrete digitale Kompetenzen, konkretes Prozess- und Systemverständnis sowie der Wille zu Flexibilität und die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen
- Dass die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) unbürokratischer und digitaler sowie elternunabhängig ausgezahlt wird. Zusätzlich möchten wir den Bewilligungszeitraum von 18 Monaten auf die Dauer der gesamten Ausbildung – maximal bis zum Ende der Regelausbildungszeit – verlängern, damit keine Unsicherheit dahingehend entsteht, ob die Ausbildung beendet werden kann oder nicht
- Auszubildende zu befähigen, ihren Ausbildungsberuf und die Ausbildungsstätte frei zu wählen. Hierzu sollen sie für den Abschluss eines Ausbildungsvertrages sowie alle sich direkt aus dem Ausbildungsverhältnis ergebenden Rechtsgeschäfte als uneingeschränkt geschäftsfähig gelten. Den Sorgeberechtigten soll bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres die Möglichkeit offenstehen, eine anderslautende Einzelfallregelung des Familiengerichts zu erwirken.
- Dass das BMBF mittelfristig eine digitale Weiterbildungsplattform zur Bündelung staatlich zertifizierter, wissenschaftlicher und beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Träger aufbaut.
Wir bekennen uns zusätzlich klar zur Stärkung von dualen Ausbildungen, um jeden Ausbildungsweg gelichermaßen zu fördern.
Talentierte junge Menschen, egal auf welchem Bildungsweg, sind förderungswürdig. Deshalb setzen wir uns langfristig dafür ein, dass Stipendien der politischen Begabtenförderungswerke auch für die Zielgruppe der Auszubildenden offenstehen. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass alle Gewerkschaften vermehrt entsprechende, dem zeitlichen Ausbildungsumfang angepasste, Angebote politischer Weiterbildung machen können. Dabei wünschen wir uns langfristig eine Zusammenarbeit mit politischen Begabtenförderungswerken, damit den Auszubildenden eine Vielzahl verschiedener Angebote zur Verfügung stehen.
In der Berufsschule
Die Qualität der Berufsausbildung bestimmt sich zum großen Teil in der Berufsschule. Seit Jahren leiden diese jedoch an dem Sanierungsstau, einer mangelnden technischen und personellen Ausstattung und veralteten Lernplänen. Was wir jetzt brauchen, ist eine Investitionsoffensive für unsere Berufsschulen, damit diese auch in Zukunft mit der Digitalisierung der Arbeitswelt mithalten und als Motor der wirtschaftlichen Innovation fungieren können. Konkret fordern die Jungen Liberalen Bayern daher:
Das Kooperationsverbot zu lockern, damit der Bund künftig – neben Finanzhilfen in die kommunale Bildungsinfrastruktur – unmittelbar Finanzhilfen und -mittel an die Schulen für Sach- sowie Personalaufwand geben kann
- Die häufigere Überprüfung der Rahmenlehrpläne des Bundes auf ihre Aktualität und die praktische Nutzbarkeit der Lehrinhalte. Der Religionsunterricht an Berufsschulen soll gänzlich entfallen, der Sportunterricht überall dort, wo er nicht zur Vermittlung von Ausbildungsinhalten notwendig ist. Zudem sollen in Zukunft- wo sinnvoll und zielführend- verstärkt unternehmerische und betriebswirtschaftliche Fähigkeiten vermittelt werden, damit jungen Menschen bereits in der Ausbildung die Tür zur Gründung und Selbstständigkeit eröffnet wird. Entscheidungen über Art und Ausmaß der Einbeziehung nicht unmittelbar mit berufsspezifischen Kompetenzen zusammenhängenden Fächern sollen die Berufsschulen zukünftig verstärkt autonom treffen können
- Dass der Umgang mit digitalen Medien und komplexen Daten- und Informationsbeständen mehr Niederschlag in den Lehrplänen findet, da im Rahmen der Digitalisierung informationstechnische Prozesse immer mehr an Bedeutung gewinnen. Voraussetzung dafür ist aber auch eine bedarfsgerechte Ausstattung mit technischen Geräten und W-LAN, die flächendeckend sichergestellt werden muss. Im Grundsatz begrüßen wir Initiativen wie das Sonderprogramm zur Förderung der Digitalisierung in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) des BMBF, das Fördervolumen ist in Anbetracht des massiven Investitionsbedarfs jedoch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir brauchen ein flächendeckendes Förderprogramms für die infrastrukturelle und technische Ausstattung von Berufsschulen. In diesem Rahmen fordern wir ebenfalls die Ergänzung klassischer analoger durch digitale Schulbücher mitsamt interaktiver und innovativer Lernangebote. Dies kann im Gegensatz zu den klassischen Methoden den stetigen Wandel von Inhalt und Form der Lehre gerecht werden.
- Die beste technische Ausstattung hilft nichts ohne qualifizierte Lehrkräfte. Besonders Berufsschulen werden vom Lehrermangel hart getroffen, bis 2030 werden Berufsschulen 60.000 neue Lehrerinnen und Lehrer brauchen. In einer Berufsschule werden Fachtheorie und Fachpraxis gelehrt, dazu braucht es Lehrkräfte, welche etwas von der Materie verstehen. Daher begrüßen wir es, dass ausgebildete Meister und Techniker oder anders Qualifizierte in den Berufsschulen diese vermitteln können. Dies soll erreicht werden durch die Möglichkeit einer ergänzenden pädagogischen Ausbildung zur Vorbereitung auf die Tätigkeit als Berufsschullehrkraft. Außerdem ist es auch notwendig studierte Lehrkräfte für die Berufsschulen zu gewinnen. Zudem müssen Anreize für Pensionäre und Teilzeitkräfte geschaffen werden, länger bzw. mehr zu arbeiten
- Eine bessere und intensivere Zusammenarbeit zwischen Berufsschule und Betrieb. Dies soll im Sinne einer stärkeren Verknüpfung der Lernorte stattfinden. Dabei setzen wir uns auch für eine Stärkung der Berufsschulbeirates ein.
- ein neues Leitbild für die Berufsschule der Zukunft. Das Lebenslange Lernen ist einer der Schlüssel, um die Bedarfe einer sich wandelnden Arbeitswelt frühzeitig zu adressieren und die Chancen der digitalen Transformation wirksam in eine gesteigerte Produktivität, Innovationsfähigkeit und -geschwindigkeit von Unternehmen umzumünzen. Die Befähigung zum kontinuierlichen Wissens- und Kompetenzerwerb sichert aber vor allem auch die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Daher muss die berufliche Fort- und Weiterbildung in Zukunft deutlicher in der Berufsschule thematisiert werden.
Darüber hinaus setzen wir uns für eine verstärkte Individualisierungsmöglichkeit durch Zusatzkurse an Berufsschulen ein. Diese Zusatzkurse sollen neben dem regulären Unterrichtsprogramm gewählt und mit einer Prüfung abgeschlossen werden können. Einer umfassenden Modularisierung an Berufsschulen erteilen wir hingegen eine klare Absage, weil diese zum Nachteil der Auszubildenden zum einen die klaren Berufsbilder verdunkeln und zum anderen die Abschlüsse entwerten würde.
Mehr Ansehen und Lebensqualität für Azubis
Auch außerhalb der Berufsschule brauchen wir attraktivere Rahmenbedingungen und gelebte Wertschätzung für unsere Auszubildenden. Daher sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Die angespannte Wohnraumsituation in den Ballungsgebieten trifft insbesondere junge Menschen und so auch Auszubildende hart. Daher fordern wir, dass der Freistaat Bayern die Schaffung von Wohnraum für Azubis genauso fördert wie er das bereits bei der Schaffung von Wohnraum für Studierende tut. Darüber hinaus sollen die Kammern (IHK, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern und Kammern für die Freien Berufe) bei denen die Auszubildenden geführt werden so wie die Studierendenwerke auch eigene Azubi-Wohnheime in Regionen mit einem besonders angespannten Wohnungsmarkt einrichten#
- Lange Arbeitswege und eine schlechte Anbindung an Ausbildungsstätte und Berufsschule werden von Auszubildenden nach wie vor als große Belastungsfaktoren auf ihrem Bildungsweg wahrgenommen. Auch im Sinne der Lebensqualität der Auszubildenden ist ein zuverlässiger und leistungsfähiger ÖPNV insofern unverzichtbar. Dieser muss jedoch auch als Azubi gut finanzierbar sein, weshalb wir uns für kostenreduzierte Azubi-Tickets einsetzen. Da die Azubi-Tickets nicht über ein sog. Solidarmodell finanziert werden können, ist gleichzeitig eine substantielle Erhöhung der Förderung von Unterhaltskosten des ÖPNVs seitens der Staatsregierung von Nöten sowie ein Ausbau dessen vor allem in ländlichen Gebieten, um eine nachhaltige Gestaltung und Finanzierung zu gewährleisten.
- Mobilität darf aber nicht nur im urbanen Raum sichergestellt sein, sondern insbesondere im ländlichen Raum stellt sich gerade für minderjährige Auszubildende die Frage, wie sie lange Wege zum Betrieb und zur Berufsschule bewältigen sollen. Die bisherige Sondergenehmigung, die es Auszubildenden unter bestimmten Umständen auch vor dem 18. Geburtstag erlaubt, gewisse Strecken zu eingeschränkten Zeiten alleine zu fahren, halten wir für nicht praxistauglich. Vielmehr soll es Auszubildenden bereits ab Vollendung des 16. Lebensjahres grundsätzlich möglich sein, für die Wege zu Betrieb und Berufsschule den Führerschein zu erwerben
- Wertschätzung und Attraktivität der beruflichen Bildung zeigen sich auch in der Vergütung. Momentan liegt die Mindestvergütung im ersten Ausbildungsjahr bei 550€, die gerade in Ballungsgebieten nicht einmal zum Bestreiten des Lebensunterhaltes reicht. Der § 17 BBiG geht uns in seiner aktuellen Form nicht weit genug. Wir setzen uns für eine Erhöhung ein
- Ebenso soll bei sämtlichen betrieblichen Ausbildungsberufen, die nicht vom BBiG gedeckt sind, eine Mindestvergütung festgelegt werden, namentlich insbesondere im Bereich des Pflege- und Gesundheitsbereichs sowie des Erziehungswesens
- Die Sozialversicherungspflicht der Ausbildungsvergütung ist für Auszubildende eine merkliche Belastung- diese wollen wir mindern. Die Geringverdienergrenze, unter welcher die Beiträge zur Sozialversicherung vollständig vom Arbeitgeber getragen werden, soll deshalb für Auszubildende auf das nach § 17 BBiG zu berechnende Mindestentgelt für das 2. Ausbildungsjahr festgelegt werden.
Wird diese Grenze überschritten, aber das Doppelte der Mindestausbildungsvergütung für das 1. Lehrjahr unterschritten, sollen die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu 2/3 vom Arbeitgeber getragen werden. Zur Arbeitslosenversicherung sollen Ausbildender und Auszubildender jeweils 1,2% beitragen, unabhängig von der Höhe des Ausbildungsentgelts. Der Beitrag zur Unfallversicherung soll vollständig vom Arbeitgeber getragen werden.
Ausbildung als Sache zwischen Azubi und Lehrbetrieb
Grundsätzlich gilt, dass jedes Unternehmen ein Eigeninteresse an kompetentem Nachwuchs hat und entsprechend eigenverantwortlich für eine gute betriebliche Ausbildung zu sorgen hat. Dies wird in vielen Fällen durch beiderseitiges Engagement sichtbar.
Dennoch kann es gute berufliche Bildung nur in Zusammenarbeit mit den Ausbilderinnen/Ausbildern und Unternehmen geben. Deren Erfahrungen, Ideen und Interessen sind bei Reformen und Veränderungen der Berufsausbildung ausreichend zu berücksichtigen. Deshalb unterstützen die Jungen Liberalen Bayern die verstärkte Zusammenarbeit von mittelständischen Unternehmen, um notwendige Ausbildungsinhalte, die aus betrieblichen oder sonstigen Gründen nicht vermittelt werden können, an die Azubis zu vermitteln.
Das Gründen von überbetrieblichen Berufsbildungsstätten halten wir dabei für besonders begrüßenswert. Ebenso möchten wir den Ausbau von Ausbildungskooperationen fördern. In Zukunft werden Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und Weiterbildung noch wichtiger werden. Hierbei setzen wir uns dafür ein, entsprechende Regelungen, die beide Interessen berücksichtigen, zu schaffen.
Gültigkeit: 10 Jahre
Antragsteller: Landesvorstand